Was ist “Friendly Fire” (Eigenbeschuss)? Ursachen, Bedeutung, Definition, Erklärung

Was ist Friendly Fire, Eigenbeschuss, Ursachen, Bedeutung, Definition, Erklärung


Im Krieg werden mitunter auch Verbündete aus unterschiedlichen Gründen getötet

Was ist “Friendly Fire” (Eigenbeschuss)? Ursachen, Bedeutung, Definition, Erklärung

Obwohl es bei der detaillierten Klassifizierung international graduelle Unterschiede gibt, bezeichnet der Ausdruck „Friendly Fire“ in der militärischen Terminologie einen Angriff von kriegführenden/neutralen Truppen auf befreundete Truppen, die versuchen, feindliche Ziele anzugreifen. Beispiele hierfür sind die falsche Identifizierung des Ziels als feindlich, Kreuzfeuer während eines Angriffs auf den Feind sowie Fehler oder Ungenauigkeit bei der Entfernungsmessung.

Versehentliches Feuer, das nicht dem Angriff auf feindliche Ziele dient, und absichtliches Schießen auf die eigenen Truppen aus disziplinarischen Gründen werden hingegen von den meisten Militärs nicht als „Friendly Fire“ bezeichnet. In diesem Sinne ist „Friendly Fire“ auch nicht zu verwechseln mit „Fragging“, d. h. der absichtlichen oder versuchten Tötung von Soldaten durch Kameraden, die auf derselben Seite dienen. Auch die unbeabsichtigte Schädigung ziviler oder neutraler Ziele, die gelegentlich als Kollateralschaden bezeichnet wird, fällt nicht darunter. Ausbildungsunfälle und unblutige Zwischenfälle gelten ebenso wenig als „Friendly Fire“. Die deutsche Übersetzung lautet in der Regel Eigenbeschuss.

Friendly Fire: Historie, Geschichte

Zwar stammen die ältesten historisch überlieferten Beispiele und Fälle von „Friendly Fire“ bereits aus der griechischen Antike und auch in den englischen Rosenkriegen (1455-1485) sowie im US-amerikanischen Bürgerkrieg (1861-1865) gab es folgenreiche Zwischenfälle, welche versehentlich zu Verletzungen und hohen Verlusten bei den Fußtruppen und/oder zum Tod ranghoher Militärs führten. Die erstmalige Verwendung des Begriffs im offiziellen Zusammenhang datiert jedoch aus dem Ersten Weltkrieg, wenn Granaten und Geschosse den anvisierten Feind verfehlten.

Im Zweiten Weltkrieg wurde das Phänomen und Problem aufgrund der vergleichsweise effizienteren Waffentechnik noch ausgeprägter. Als einer der ersten Militärhistoriker schrieb der US-amerikanische Offizier sowie Kriegsberichterstatter Samuel Lyman Atwood „SLA“ Marshall (1900-1977) in seinem 1947 in der Fachzeitschrift „The Infantry Journal“ veröffentlichten Beitrag „Men Against Fire: The Problem of Battle Command“ über Gründe, Begleitumstände und mögliche Gegenmaßnahmen.

Mittlerweile herrscht wissenschaftlich weitgehend dahingehend Konsens, dass moderne Waffen wie Gewehre, Artillerie und Flugzeuge die Zahl der Verluste durch „Friendly Fire“ im 20. und 21. Jahrhundert drastisch erhöht haben. Im klassischen Nahkampf waren Verwechslungen selten, aber im industrialisierten Krieg sind solche Todesfälle häufiger geworden.

„Friendly Fire“ und Eigenbeschuss wurden und werden gerne auch totgeschwiegen

Die vergleichsweise erst spät erfolgte professionelle Beschäftigung mit „Friendly Fire“ ist vor allem auch dem Umstand geschuldet, dass in der Kriegsführung Todesfälle durch den Feind häufig gewürdigt, während solche durch befreundete Streitkräfte eher als schändlich angesehen werden. Da Öffentlichkeitsarbeit und Moral in der modernen Kriegsführung von großer Bedeutung sind, neigen Militärs dazu, Vorfälle mit Beschuss durch eigene Truppen eher nicht zu melden, speziell dann, wenn sie sowohl für die Untersuchungen als auch für die Presseerklärungen zuständig sind.

Zur Erklärung und Einstufung dessen klassifizierte der US-amerikanische Bestsellerautor Jon Krakauer in seinem 2009 erschienenen Buch „Where Men Win Glory“, dass „Friendly Fire“ als Brudermord ein zwar unerwünschter, aber letztlich auch tendenziell unvermeidlicher Aspekt moderner Kriegsführung sei. Ebenso fast zwangsläufig sei das Streben militärischer Befehlshaber, derartige Tragödien komplett unter den Teppich zu kehren oder die Wahrheit zu verfälschen, um deren Darstellung in den Medien zu kontrollieren und öffentliche Unterstützung für aktuelle Kriege zu stärken.

Auch in Zeiten ausgeklügelter Digitaltechnik kann „Kriegsnebel“ verheerend sein

Die Gründe für „Friendly Fire“ sind laut Fachliteratur in erster Linie sowohl strategischer als auch taktischer und letzten Endes systemimmanenter Natur, d.h. sie können oft durch die in sämtlichen Kriegen häufigen chaotischen und unübersichtlichen Situationen ausgelöst oder begünstigt werden.

Zur Umschreibung dessen hat sich der geflügelte Ausdruck Nebel des Krieges bzw. Kriegsnebel oder englisch „Fog of War“ etabliert, welcher der generellen räumlichen wie zeitlichen Unsicherheit und Verwirrung im Krieg Rechnung trägt. Falsche oder unzureichende Informationen über feindliche Stellungen und Truppenstärken, Wetter- und Bodenbedingungen sowie Geografie und Infrastruktur können neben verschiedenen Fehlentscheidungen auch unbeabsichtigten Eigenbeschuss verursachen. Da Kriegsnebel aber häufig zur Entschuldigung von Leichtsinnigkeit, Inkompetenz, schlechter Planung und unzureichender Aufklärung herangezogen wurde, sind zeitgenössische Militärs meist sehr darauf erpicht, derartige Fehler durch umfassende Nutzung modernster Informations- und Kommunikationstechnologien zu minimieren.

Insofern waren auch sog. Stellungsfehler als Grund für „Friendly Fire“ im Ersten und Zweiten Weltkrieg, als die Truppen vorrangig im Nahkampf kämpften und die Zielgenauigkeit der Waffen noch ungenauer war, häufiger als heutzutage. Nach wie vor von Belang sind hingegen sog.

Identifizierungsfehler, durch die befreundete Truppen fälschlicherweise in dem Glauben angegriffen werden, sie seien der Feind. Einige diesbezügliche Schlagzeilen machten die falschen Einschätzungen der US-Army bei Kampfhandlungen im Verlauf der beiden Golfkriege 1991 und 2003 im Irak sowie in Afghanistan 2004.

Je komplexer die konkrete Kampfsituation, desto wahrscheinlicher „Friendly Fire“

Es gibt eine Reihe von weiteren Situationen, die das Risiko von Beschuss durch eigene Truppen begünstigen oder verstärken können. Schwieriges Terrain sowie schlechte Sicht sind wichtige Faktoren. Soldaten, die auf unbekanntem Terrain kämpfen, können leichter die Orientierung verlieren als auf bekanntem Terrain.

Die Richtung, aus der das feindliche Feuer kommt, ist womöglich schwer zu erkennen, und schlechtes Wetter und Kampfstress können Verwirrung verstärken, wenn es zu Schusswechseln kommt. Genaue Navigation und Feuerdisziplin sind daher unerlässlich. In riskanten Situationen müssen die Anführer sicherstellen, dass Einheiten genau über Standorte befreundeter Einheiten informiert sind, und sie müssen unmissverständliche Befehle erteilen, aber auch korrekt auf die Antworten der Soldaten reagieren, die in der Lage sind, ihr eigenes Urteilsvermögen einzusetzen. Falsche Kommunikation kann tödlich sein. Funkgeräte, Feldtelefone und Signalsysteme können zur Lösung des Problems beitragen, aber wenn diese Systeme zur Koordinierung mehrerer Truppen wie Bodentruppen und Flugzeuge verwendet werden, kann ihr Ausfall das Risiko von Beschuss durch eigene Truppen drastisch erhöhen.

Wenn verbündete Truppen im Einsatz sind, sind solche Situationen noch komplexer, vor allem wenn bei sehr mobilen Gefechten und Gefechten, an denen Truppen aus vielen Nationen beteiligt sind, Sprachbarrieren zu überwinden sind.

Heutzutage werden Taktik, Technik und Training gegen „Friendly Fire“ eingesetzt

In manchen Analysen werden materielle Effekte von „Friendly Fire“ damit abgetan, dass die Zahl der Opfer von Eigenbeschuss in der Regel zu gering ist, um den Ausgang einer Schlacht zu beeinflussen. Die Auswirkungen von Beschuss durch eigene Truppen sind jedoch psychologischer Art. Soldaten rechnen damit, vom Feind angegriffen zu werden, aber von den eigenen Truppen getroffen zu werden, hat enorm negative Auswirkungen auf die Moral.

Die Truppen zweifeln an der Kompetenz ihrer Führung, und die Häufigkeit des Beschusses lässt die Kommandeure im Feld vorsichtiger werden. Die militärische Führung versucht, diese Effekte zu verringern, indem sie die Ursachen für den Beschuss durch eigene Truppen ermittelt und eine Wiederholung des Vorfalls durch Ausbildung, Taktik und Technologie verhindert. Hierfür wird bei nahezu allen Streitkräften inzwischen großer Wert auf entsprechend simuliertes Training bei Manövern und auf Schießplätzen gelegt. Konkret müssen Soldaten lernen, bei Nacht und schlechtem Wetter bestens getarnte eigene Panzer von denen des Feindes zu unterscheiden.

Zu technologischen Neuerungen gegen „Friendly Fire“ gehören auch Navigationsgeräte mit Satellitensignalen, welche Bodentruppen die genaue Position gegnerischer sowie eigener Truppen mitteilen. Infrarotlicht und Thermobänder, die ohne Nachtsichtgeräte unsichtbar sind, sind ebenfalls wichtige Erkennungsmerkmale für befreundete Einheiten bei Nacht.

Autor: Pierre von BedeutungOnline

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