Die „Französische Narbe“ ist ein neuer Trend unter Jugendlichen auf der chinesischen Video-Plattform TikTok. Dabei fügen sich die jungen Menschen eine Selbstverletzung im Gesicht, hauptsächlich auf den Wangen, zu. Sie filmen sich beispielsweise beim minutenlangen Kneifen, bis blaue Flecken oder sogar Narben entstehen. Daraus hat sich eine Challenge entwickelt, bei der die Jugendlichen miteinander wetteifern, wer sich die schlimmeren Verletzungen zufügen kann. Nicht immer geht der blaue Fleck wieder zurück. In einigen Fällen kann es sein, dass der Bluterguss als optischer Makel oder die Blutgefäßverletzungen dauerhaft sichtbar bleiben. Die lassen sich später nur mit einer Laseroperation beheben.
Wie entstand der Trend „Französische Narbe“?
Erste Hinweise auf Anstiftung zur Selbstverletzungs-Variante „Französische Narbe“ tauchten im Februar 2023 auf. Auch Videos, wie man die Selbstverletzung am Geschick am besten durchführt, waren schnell im Netz zu finden. Die Challenge breitete sich in Windeseile, ausgehend von Frankreich, in ganz Europa aus. Aufgrund des starken Gefährdungspotenzials leitete die italienische Kartellbehörde Ermittlungen gegen die Plattform ein. Ferner möchte sie auch gegen die Plattform vorgehen, da sie künstliche Intelligenz-Software verwendet, um Nutzer und Nutzerinnen noch stärker zu beeinflussen. Man habe dabei vor allem den Algorithmus im Auge, der Werbung einspielt, die zu den gezeigten Inhalten passe, also den negativen Eindruck deutlich verstärke.
Verantwortung der Eltern
Die Entstehung dieser provokativen Trends hat auch mit den Möglichkeiten des Internets und speziell den sozialen Netzwerken zugenommen. Pädagogen beklagen, dass Erziehungsberechtigte immer weniger Einfluss auf das haben, was Kinder im Internet tun. Sie stellen immer häufiger Grenzüberschreitungen fest, die zu Problemen führen, deren Lösung eigentlich in der erzieherischen Verantwortung liegt. Heute gelingt es Kindern noch besser, sich der elterlichen oder schulischen Kontrolle zu entziehen.
Wie reagiert TikTok darauf?
Die Video-Plattform TikTok reagierte bisher lediglich mit der Behauptung des Gegenteils und erklärte, man lasse keine jugendgefährdenden Inhalte auf der Plattform zu. Im Gegenteil, man sei sogar besonders darauf bedacht, Jugendliche zu schützen. Die Plattform TikTok gehört dem chinesischen Unternehmen ByteDance, das von sich behauptet, vollumfänglich mit den zuständigen Behörden zusammenzuarbeiten, um alle Richtlinien-Fragen zu beantworten. Diese Aussage ist sehr schwammig und kann nicht so interpretiert werden, dass TikTok tatsächlich willens ist, die gefährlichen Inhalte zu löschen. Seit längerem ist zu beobachten, dass die Plattform Geschäftsinteressen über den Schutz von Kindern und Jugendlichen stellt.
Gefährliche Selbstverletzung als Modeerscheinung
TikTok ist hauptsächlich bei Kindern und Jugendlichen beliebt, was das Gefahrenpotenzial noch deutlicher macht. Bei den hier gezeigten Videos handelt es sich sehr oft um Mutproben, die regelmäßig die Gesundheit derjenigen, die das Gezeigte nachahmen, gefährden und sogar lebensbedrohlich sein können. Eltern, Erzieher und ähnliche Interessensgruppen verlangen daher, dass Regierungen stärker einschreiten, um derartige Auswüchse zu unterbinden. Diesem Wünschen zu entsprechen, ist jedoch aufgrund der komplizierten Gesetzeslage in der EU und in den einzelnen Ländern schwierig.
Ruf nach Konsequenzen
Es gibt mittlerweile eine Reihe von extremen Beispielen für die Gefahr, die von derartigen Challenges ausgeht: 2021 führte die „Blackout-Challenge“ zum Tod einer eines zehnjährigen Mädchens in Palermo. Es ging darum, solange die Luft anzuhalten, bis man bewusstlos wird. Das Mädchen konnte nicht mehr reanimiert werden. Dieser und andere Todesfälle unter Minderjährigen im Zusammenhang mit lebensbedrohenden TikTok-Challenges lösten weltweit Entsetzen aus. Zu Konsequenzen aufseiten des chinesischen Konzerns hat es bisher nicht geführt. Da sich Inhalte dieses Typs extrem gehäuft haben, geht die EU-Kommission nun verstärkt dagegen vor. Die rechtlichen Schritte, die Italien einleitet, zeigen, dass Europa „härtere Bandagen anlegt“. Inwieweit das Vorgehen von Erfolg gekrönt sein wird, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen.