Nach dem ersten Corona-Ausbruch im Winter 2019/2020 tauchte 2020 in englischsprachigen Medien der Begriff Disease X (= Krankheit X) erstmals auf. Der Buchstabe X ist ein Platzhalter für einen noch unbekannten Virus, dessen Erscheinungsbild und Auswirkungen man nicht beschreiben kann. Die genaue Definition stammt von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und lautet folgendermaßen:
„Krankheit X steht für die Einsicht, dass eine schwerwiegende internationale Epidemie durch einen Krankheitserreger verursacht werden könnte, von dem derzeit nicht bekannt ist, dass er Krankheiten des Menschen verursacht. Daher versucht das Forschungs- und Entwicklungskonzept ausdrücklich, so weit wie möglich eine übergreifende Forschungs- und Entwicklungsvorbereitung zu ermöglichen, die für eine bisher unbekannte ‚Krankheit X‘ relevant ist.“
Disease X: Kann man die nächste Pandemie vorhersagen?
Immer wieder sprechen Forscher davon, dass sie die unbekannte nächste Krankheit erforschen wollen, eben die Disease X. Viele Labore arbeiten hierfür mit gezielten Mutationen vorhandener Viren. Dadurch erhoffen sie sich, eine geeignete Therapie gegen den Mutanten entwickeln zu können.
Doch das „erfindungsreiche“ Coronavirus hat uns gezeigt, dass es extrem schwierig ist, für eine neue Variante Vorhersagen zu treffen. Das liegt hauptsächlich daran, dass man in der Seuchenprävention mit Modellen arbeitet. Erst durch das Zusammenwirken vieler kleiner Puzzleteile können entsprechende Schlüsse gezogen werden. Diese Arbeit ist extrem wichtig und zugleich aufwändig.
Teilweise arbeiten die Forscher Jahrzehnte daran, wenn es geht darum, Gesellschaften vor möglichen Epidemien zu schützen. Aus vorausgegangenen Epidemien konnte man bereits viel lernen. Diese und weitere Ergebnisse fließen in die Modellrechnungen mit ein. Da wir in einem Computerzeitalter leben und weltweit vernetzt sind, ist es heute deutlich leichter als vor 20 Jahren, an Informationen zu gelangen. So werden die Modellrechnungen und daraus resultierende Vorhersagen viel präziser, sodass die einzelnen Länder schneller reagieren können. Trotzdem sind konkrete Vorhersagen so gut wie unmöglich.
Wie kommt die Weltgesundheitsorganisation zu ihren Vorhersagen?
Aufgabe der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist unter anderem die Prävention vor Krankheiten und Seuchen und deren Kontrolle. Die Erfahrungen mit dem Sars-CoV2-Virus, das die Coronaerkrankung hervorruft, veranlassen Mediziner und Gesundheitsorganisationen weltweit, ihr Augenmerk stärker auf etwaige künftige Infektionskrankheiten bzw. ihre Erreger zu richten.
Infektionskrankheiten, die noch nicht real sind, aber in der Zukunft auftreten könnten, werden als Disease X bezeichnet. Da noch nicht bekannt ist, in welcher Form sie sich darstellen, können jedoch keine vorbeugenden Maßnahmen ergriffen werden. Noch unbekannte Krankheitserreger werden als potenzielle Bedrohung trotzdem sehr ernst genommen. Auch über die bisher aufgetretenen Viren gibt es umfangreiche und öffentliche Datensammlungen, auf die jeder zugreifen kann.
Darüber hinaus haben Forscher dank des Preprint-Systems heute die Möglichkeit, ihre Arbeiten früher zu veröffentlichen. Was einst Wochen oder Monate dauerte, kann heute innerhalb weniger Tage, manchmal sogar eines Tages bereitgestellt werden. Je nach Dringlichkeit der Bedrohung veröffentlichen auch traditionelle Fachzeitschriften wichtige Informationen wesentlich früher als sonst üblich.
Allerdings sind die zu diesem Zeitpunkt veröffentlichen Studien nicht endgültig geprüft, befinden sich noch im sogenannten Peer-Review-Verfahren. Erst wenn dieses Verfahren abgeschlossen ist, kann man von einer glaubwürdigen Information ausgehen. Wenn nicht, besteht die Möglichkeit der Desinformation und es ist ratsam, eine solche Studie sehr kritisch zu lesen.
Diease X: Erlaubt Künstliche Intelligenz präzisere Epidemie-Vorhersagen?
Immer wieder beschäftigen sich Mediziner mit der Frage, ob man die Corona-Pandemie hätte voraussehen können. Heute erhoffen sich Forscher, mithilfe künstlicher Intelligenz (KI) bessere Vorhersagen treffen zu können. KI-Verfechter sind davon überzeugt, dass sich das Risiko von Epidemien dank Algorithmen noch vor dem Ausbruch abschätzen lässt. Das sei möglich, indem die KI Daten über Viren in bestimmten Tierarten sammelt und daraus Schlüsse auf die Übertragbarkeit auf den Menschen zieht. Auch die Internet-Giganten Google und Facebook arbeiten daran, Vorhersagen für die nächste Disease X zu treffen. Andere Experten sind in diesem Punkt sehr skeptisch und halten KI in Bezug auf Epidemie-Voraussagen für nutzlos. Aktuell (August 2023) sind Pandemien kein Anwendungsfall für KI-gesteuerte Modelle.