Belarus liegt im Osten Europas. Es grenzt an Litauen, Lettland, Russland, die Ukraine und Polen. Das Land zählt 9,5 Millionen Einwohner und war in Deutschland bis vor Kurzem als Weißrussland bekannt war. Doch auf einmal ist nicht mehr die Rede von Weißrussland, sondern von Belarus. Woher kommt dieser Wandel?
Warum heißt Weißrussland jetzt Belarus? Bedeutung, Erklärung
Die Bezeichnung Weißrussland etablierte sich im 19. Jahrhundert in Deutschland. Während in anderen Ländern schon länger die Rede von Belarus war und auch die österreichische und Schweizer Diplomatie den Begriff bereits in allen offiziellen Texten verwendeten, tat man sich in Deutschland mit dem Begriff Belarus schwer. So wurde der Begriff in der Vergangenheit nur im zwischenstaatlichen Verkehr mit Belarus selbst gebraucht, im inländischen Verkehr sowie auf Karten sprach man von Weißrussland.
Vielen galt die Bezeichnung Weißrussland als einfache Übersetzung des Namens Belarus ins Deutsche. In Teilen stimmt dies auch. Denn die Silbe bela bedeutet im slawischen weiß. Allerdings hat die Silbe rus, so ähnlich sie Russland auch klingen mag, wenig mit dem heutigen Russland gemein. Vielmehr ist Rus der Name eines mittelalterlichen Herrschergebiets in Osteuropa, das als Herkunft der Slawen gilt.
Die Bezeichnung dieses Gebietes geht wahrscheinlich aus dem altfinnischen hervor und bezeichnet die skandinavischen Waräger. Diese aus Skandinavien stammenden Händler und Krieger gelten als Teilgruppe der Wikinger und waren seit dem 8. Jahrhundert im Gebiet des Dnepr, der Düna, der Wolga und des Don und bis ans Kaspische und Schwarze Meer vertreten.
Das historische Gebiet der Rus gilt zudem als Vorläufer der Staaten Belarus, Ukraine und Russland und hat somit nichts mit dem heutigen Russland zu tun oder bezieht sich zumindest nicht nur auf dieses Land.
Die Farbe weiß ist Teil eines Systems, in dem Farben bestimmten Gebieten Namen gaben
Bedeutung des Namens und der Farben von Belarus / Weißrussland
Schon im Mittelalter trug das Gebiet, in dem Belarus heute liegt, seinen jetztigen Namen. Der Wortteil bela, also weiß, gab an, in welchem Teil der Kiewer Rus, dem mittelalterlichen altrussischen Großreich, sich dieses Gebiet befand. Damals wurde ein System benutzt, in dem Farben Himmelsrichtungen angaben. So gab es neben der Weißen Rus, die im Südwesten der Kiewer Rus lag, die Schwarze Rus im Westen von Belarus und auch eine Rote Rus.
Im Deutschen werden diese Gebiete auch Ruthenien, Reußen oder Russland genannt. Sprachhistorisch sei Weißruthenien sogar die beste Bezeichnung für das Gebiet des heutigen Belarus. Dieser Name hat jedoch einen negativen Beigeschmack: Er wurde in den zwei Weltkriegen und von den Nazis als koloniale Projektion gebraucht und ruft bei den Einwohnern bis heute schmerzliche Erinnerungen hervor. Auch der Begriff Belarussische SSR, wie das Gebiet zu Zeiten der Sowjetunion genannt wurde, erinnert zu sehr an die Fremdherrschaften in der Geschichte des Landes.
Belarus hat eine eigene Sprache und Identität und ist kein Teil Russlands
Von eben dieser Fremdherrschaft möchte sich die Bevölkerung des Landes lösen und als eigenständiges Land mit einer eigenen Identität und Sprache anerkannt werden. Denn Russisch ist zwar offiziell die zweite Sprache in Belarus, die eigene Sprache, das Belarusisch ist für einen Russen jedoch kaum zu verstehen. Es hat eine eigene Syntax, Lexik und Grammatik. Da der Name Weißrussland eine sprachliche, kulturelle und politische Abhängigkeit von Russland suggeriert, ist der Begriff zunehmend in die Kritik geraten. Vor allem die Opposition kämpft für ein von Russland unabhängiges Belarus. Der aktuelle Machtinhaber Lukaschenko steht ihnen viel zu nah bei Putin und somit bei Russland.
Die Bezeichnung „Belarus“ erhält Einzug in die deutsche Medienwelt
Ende Januar 2020 gab die deutsch-belarusische Geschichtskommission, die aus 16 Historikern beider Länder besteht, eine Empfehlung heraus. Demnach solle im Deutschen statt Weißrussland der offizielle Landesname Belarus gebraucht werden. Die Betonung solle auf der Silbe –rus liegen. Beim Adjektiv solle anstatt belarussisch nur ein s verwendet werden. So wie es die Kommission in der Schreibung ihres eigenen Namens tut. Die Einwohner des Landes heißen nach Empfehlung nicht mehr Belarussen, sondern Belarusen. Somit wäre deutlich, dass es sich bei dem Land um einen eigenständigen Staat handelt und nicht um einen Teil Russlands.
Im Januar übernahm die Züricher Zeitung als erste die neue Bezeichnung des Landes und veröffentlichte ein Plädoyer für die Verwendung der Bezeichnung Belarus.
Es folgten deutsche Presse- und Nachrichten-Agenturen, die bereits seit April nur noch Berichte mit der Bezeichnung Belarus herausgaben. Dieses wurde von den einzelnen Redaktionen jedoch wieder zu Weißrussland geändert oder zumindest mit einem Hinweis auf die Bezeichnung Weißrussland herausgegeben. Bei der Berichterstattung in den deutschen Medien im Zuge der Präsidentschaftswahlen im August 2020 haben dann Deutschlandfunk, ARD, ZDF und andere Sender sowie Zeitungen auf den Begriff Belarus zurückgegriffen und diesen etabliert.
Während sich im englischen Sprachraum bereist die neue Schreibeweise des Adjektivs durchgesetzt hat, ist die Schreibweise belarusisch bei den deutschen Presse- und Nachrichtenagenturen sowie anderen Medien noch nicht geläufig: Hier bezieht man sich weiterhin auf die Schreibweise des DUDEN, der nach wie vor belarussisch als richtige Schreibweise angibt. Kritiker erklären zudem, dass man bei Anpassung des Adjektivs mit nur einem s auch die deutsche Aussprache anpassen müsse. Die Aussprache müsse dann von einem stimmlosen Doppel-s in ein stimmhaftes s geändert werden.