Was bedeutet tl;dr? Bedeutung, Definition, Erklärung

Was bedeutet tldr, Bedeutung, Definition, Erklärung


Die Abkürzung tl;dr steht für „too long; didn’t read“ (zu lang, ich las es nicht). Sie taucht gelegentlich als Kommentar unter Online-Texten auf und bedeutet zweierlei je nach Sichtweise:

  • #1: Der Text ist zu lang, zu komplex, zu verschachtelt und zu wenig strukturiert, kurz und gut: Er ist nicht online-freundlich.
  • #2: Die Aufmerksamkeitsspanne des betreffenden Lesers liegt unter derjenigen eines Goldfisches. Hierfür gibt es handfeste Beweise (siehe weiter unten).

Was bedeutet tl;dr? Bedeutung, Definition, Erklärung

Erstmals wurde das Kürzel wohl auf Reddit gesehen. In diesem Social Network wird fleißig diskutiert, doch manchen Nutzern scheint einzelne Beiträge gelegentlich zu textlastig zu sein. Daher setzte sich irgendwann tl;dr im Kommentarbereich durch: Es soll eigentlich andere Nutzer (nicht nur den Autoren eines Textes) darauf aufmerksam machen, wie unnütz lang der betreffende Beitrag ist. Von Reddit aus verbreitete sich das Kürzel in den letzten Jahren (etwa ab 2016) über das gesamte Netz.

Warum ist tl;dr so wichtig?

Für das Medium Internet rücken naturgemäß immer jüngere User nach. Inzwischen ist die „Generation Goldfisch“ eine bedeutende Zielgruppe. Es dürfte sich um die Jahrgänge ab etwa 1995 bis 2000 handeln, die mit dem Handy in der Hand geboren wurden und schon kurz darauf zum Smartphone wechselten – etwa ab 2008, nachdem sie gerade des Lesens mächtig geworden waren. Unsere jungen Freunde lesen nicht mehr gern lange Texte. Ihre Aufmerksamkeitsspanne ist dafür zu kurz.

Microsoft Canada hat 2015 in einer Studie ermittelt, dass die Konzentrationsfähigkeit des Durchschnittsnutzers zwischen 2000 und 2013 von 12 auf 8 Sekunden gesunken ist. Ein Goldfisch bringt es auf 9 Sekunden, er kann sich also länger konzentrieren als die heutige Jugend, die immerhin den Wohlstand der nächsten Jahrzehnte sichern soll. Ist das ein Wunder? Nein, lautet die Antwort.

Medienkonsum, Marketing und tl;dr

Natürlich versuchen Wissenschaftler zu ergründen, warum die nachwachsende Generation in puncto Aufmerksamkeitsspanne hinter den Goldfisch zurückgefallen ist. Die Hauptursache scheint die moderne Mediennutzung zu sein.

Das Internet, das Smartphone und die überbordende Fülle an Informationen, die auf uns einprasselt, lassen gefühlt nicht mehr als 8 Sekunden Zeit, um zu entscheiden, ob eine Information wichtig ist. Hinzu kommt das kleine Display des Smartphones, auf dem ein Mensch Infos schließlich nur in winzigsten Häppchen wahrnehmen kann.

Das Smartphone nutzen alle Menschen durchschnittlich 2,1 Stunden pro Tag, die 16- bis 29-Jährigen allerdings rund 4 Stunden. Bei der daraus resultierenden Reizüberflutung zwingt sie ihr Gehirn, in kürzester Zeit zu entscheiden, ob sie etwas interessiert. Diese kürzeste Zeit lautet: 8 Sekunden. Automatisch fährt der Geist seine Konzentrationsfähigkeit in Bezug auf ein einziges Thema herunter. Er benötigt seine Ressourcen, um sie auf viele Themen zu splitten.

Das Marketing muss sich auf so eine Entwicklung einstellen und tl;dr strikt berücksichtigen, denn: Was zu lang geraten ist, liest niemand. Die Schlussfolgerung lautet, dass sich zunehmend Masse gegen Klasse durchsetzt. Ist es ein Wunder? Im Jahr 1970 nahm der durchschnittliche Konsument pro Tag 500 Marketingbotschaften auf, was schon damals als viel galt. Doch im Jahr 2021 sind es 5.000. Vermarkter können nichts anderes tun, als mit diesem Strom zu schwimmen und ihre Zielgruppe mit zahllosen Informationshäppchen zu bombardieren.

Wie sollten Redakteure auf tl;dr reagieren?

Redakteure und Texter sollten das Prinzip tl;dr kennen und möglichst danach arbeiten. Dabei helfen diese Tipps:

#1 Textlänge: Das Kürzel tl;dr sagt ja eindeutig, dass der Text zu lang gewesen sei. Daher habe man ihn nicht gelesen. Natürlich empfindet jeder User eine Textlänge subjektiv als lang oder kurz. „Zu lang“ bedeutet übersetzt eigentlich immer „zu lang für dieses Thema“. Das ist in der Tat ein Problem, denn viele Autoren blähen Texte vollkommen überflüssig auf. Das liegt daran, dass es einen Google-Algorithmus gibt, der die Verweildauer auf einer Webseite mit einem besseren Ranking belohnt. Also glauben Vermarkter, sie müssten die User einfach mit langen Texten binden. Dementsprechend beauftragen sie Autoren, lange Texte zu schreiben. Da die Autoren pro Wort bezahlt werden, ziehen sie ein nichtsnutziges Thema wie Kaugummi in die Länge. Das nutzt natürlich nichts: Der User wendet sich ab und versieht den Text mit dem Kommentar „tl;dr“. Hier ein Hinweis an Auftraggeber von Texten: Geben Sie eine große Wortspanne (zum Beispiel 300 bis 1.200 Worte) vor. Ein vernünftiger Autor nutzt so viele Worte, wie es das Thema nötig hat, aber nicht mehr.

#2 Teaser: Das Kürzel tl;dr verweist auch darauf, dass der Leser eigentlich gern schon in der Headline und im Teaser erfahren hätte, worum es eigentlich geht. Jeder Text sollte zwingend angeteasert werden.

#3 Struktur: Textfreundlichkeit bedeutet auch, Texte durch Absätze und Listen zu strukturieren. In manchen Bereichen (Fashion etc.) können auch viele Bilder zwischen kurzen Texten platziert werden, wenn das Produkt über seine Optik verkauft wird.

#4 Wegweiser: Es ist möglich, mit GIFs und anderen Stilmitteln den User zum Klick auf einen Deeplink zu motivieren. Diese Wegweiser findet er schneller wieder (schneller als den Anchor eines Links), wenn er erst einmal den Text zu Ende lesen möchte. Das Mittel bewährt sich in Instagram-Stories bestens.

#5 Facts first: Es gibt immer noch Autoren und auch Auftraggeber von Texten, die glauben, sie könnten einen Leser an den Text binden, indem sie eine Spannung aufbauen, zunächst nicht zu viel verraten und erst am Ende „das Geheimnis lüften“. Das würde vielleicht bei jemandem funktionieren, der bis gestern nur Romane gelesen hat und sich heute zum ersten Mal mit dem Internet beschäftigt. So jemanden gibt es auf dieser Welt nicht mehr. Die User wollen sofort wissen, worum es geht, darauf verweist ja das Kürzel tl;dr. Also müssen die Facts zuerst genannt werden.

Es gibt inzwischen Untersuchungen zum überwiegenden Leseverhalten im Internet, so vom dänischen Semantikprofessor Jakob Nielsen. Er konnte belegen, dass die Leser den Text F-förmig scannen: Sie lesen den ersten Satz vollständig (oberer waagerechter Strich des F) und überspringen dann einige Zeilen. Vom nächsten Absatz (dem unteren waagerechten Strich in der Mitte des F) lesen sie höchstens die Hälfte, um sich zu informieren, ob sich das Weiterlesen lohnt. Wenn sie aber zweimal hintereinander interessante Facts finden, lesen sie vielleicht sogar den Text vollständig.

Fazit: Was bedeutet tl;dr? Bedeutung, Definition, Erklärung

Redakteure, Texter und Vermarkter sollten das Kürzel tl;dr sehr ernst nehmen. Zu lange, weitgehend sinnfreie Texte binden nicht den Leser, sondern wirken absolut kontraproduktiv.

Autor: Pierre von BedeutungOnline

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