Der Begriff Denationalisierung muss in zwei Ebenen betrachtet werden. Auf der politischen Ebene bedeutet die Denationalisierung eine Abkehr von einer starken nationalistischen Politik. In der Wirtschaftspolitik ist der Begriff mit einer Entstaatlichung von Unternehmen verbunden. Für beide Bereiche gibt es in der Historie viele Beispiele. Der entgegengesetzte Begriff ist die Nationalisierung. Dabei handelt es sich um das gegensätzliche Vorgehen auf unterschiedlichen Ebenen. Die Denationalisierung bezeichnet dabei immer eine gesamte Sicht auf das Vorgehen, und die individuelle Einstellung oder das persönliche Vorgehen eines Individuums. In der Staatslehre ist die Denationalisierung ein stark umkämpfter Begriff, der viele Befürworter und Gegner hat.
Beispiele für eine Denationalisierung aus politischer Perspektive
Ein gutes Beispiel für eine Denationalisierung eines Staates ist die Gründung der Europäischen Union. Diese Union basiert auf Werten, die die staatliche Souveränität einschränken und diese teilweise stark beschneiden. Früher hoheitlich eigenstaatliche Aufgaben werden heute durch Organisationen der EU übernommen und gehören nicht mehr zum originären Aufgabenfeld des Nationalstaates. Rechtswissenschaftler streiten derzeit darüber, wann ein Staat seine gesamte Eigenstaatlichkeit verlieren kann und in Gänze in der Union aufgehen muss. Die Notwendigkeit der staatlichen Denationalisierung ist im Rahmen der Diskussion auch hochpolitisch.
Unter Historikern ist ein Streit darüber entbrannt, ob man die Niederwerfung von Nazi-Deutschland und des zweiten Kaiserreichs ebenfalls als Denationalisierung bezeichnen kann. Der daraus resultierende und erzwungene Verzicht auf nationalistische Politik wird von manchen Historikern und Rechtswissenschaftlern als Denationalisierung bezeichnet. Allerdings ist diese Interpretation des Begriffs sehr fragwürdig und in der Fachwelt stark umstritten.
Beispiele für die Denationalisierung im Rahmen von wirtschaftspolitischen Maßnahmen
Im Zeitalter des Neoliberalismus wurde die Versorgung mit Gütern in der westlichen Welt in vielen Bereichen stark denationalisiert. Ein gutes Beispiel ist die Förderung von Trinkwasser. Viele der heutigen Quellen sind nicht mehr in staatlicher Hand, sondern werden durch private Unternehmen unter marktwirtschaftlichen Aspekten genutzt. Ein weiteres gutes Beispiel für die Denationalisierung aus wirtschaftspolitischer Sicht bietet der Zusammenbruch der Sowjetunion. Die Wirtschaft der damaligen SU war streng staatlich kontrolliert und im Rahmen einer staatlichen und zentralen Planwirtschat aufgebaut.
Der politische Zusammenbruch der SU sorgte dafür, dass so gut wie jeder Wirtschaftszweig von einem Tag auf den anderen privatisiert wurde. Der Staat zog sich komplett zurück und überließ es den Märkten, die vorhandenen Strukturen nutzbar zu machen und auf Gewinnstreben hin zu optimieren. Dem Gedanken dieser radikalen Denationalisierung steht der wirtschaftspolitische Gedanke der gewollten und kontrollierten Denationalisierung gegenüber. Diese Spielart der Wirtschaftspolitik wird vor allem in autoritären Staaten und in der Volksrepublik China betrieben. Hier erlaubt der Staat die freien Märkte, und fördert diese sogar. Allerdings sind alle Unternehmen zu jedem Zeitpunkt stark von den Entscheidungen der staatlichen Führung abhängig und werden bei Bedarf umgehend nationalisiert.
Denationalisierung in privaten und wohltätigen Institutionen
Es gibt auch im Bereich der gemeinnützigen Organisationen, sowie der Projektförderung den Begriff der Denationalisierung. Die Kernkraft ist hier ein sehr gutes Beispiel. Während die Forschung und der Bau von Kernkraft weitestgehend unter staatlicher Kontrolle stattfinden, müssen die Betreiber von Kernkraftwerken wirtschaftlich arbeiten. Das gelingt aufgrund der Komplexität der Technik allerdings nur in den seltensten Fällen. Die Kernkraft gehört zu den Energiequellen, die ohne gezielte staatliche Förderung nicht gewinnbringend genutzt werden könnte.
Die Denationalisierung des gesamten Produktions- und Entwicklungsprozesses ist deswegen in der westlichen Welt eines der hohen Ziele und konnte bis heute nicht vollständig erreicht werden. Auch Stiftungen und anderen Organisationen können aus Kostengründen stark denationalisiert werden. In Deutschland wird hier das Hilfsmittel der privaten Trägerschaft eingesetzt, bei der sich der Staat beteiligt. Daraus resultieren niedrigere laufende Kosten und die Organisation kann eigene Erträge generieren. Gerade im kulturellen und wissenschaftlichen Bereich ist aufgrund der Kostenstruktur und der geringen Ertragsmöglichkeiten eine komplette Denationalisierung nur schwer möglich und in der Praxis bis heute in nur wenigen Fällen erfolgreich.
Kritik an der Denationalisierung
Die Kritik an der Denationalisierung kommt vor allem aus den ehemaligen Ostblockstaaten, sowie im Westen von breiten Gesellschaftsschichten. Der Hintergrund ist immer eine Angst vor Kontrollverlust. Dabei wird oft übersehen, dass bei einer Nationalisierung zwar die gesamte Wertschöpfungskette genutzt werden kann. Aber ebenso entsteht, unabhängig von der Organisationsform des jeweiligen Projekts, eine Verpflichtung zur Übernahme der Kostenstruktur. Ebenso zeigen gängige Wirtschaftstheorien und Staatstheorien auf, dass eine nationalisierte Politik und eine nationalisierte Wirtschaft wesentlich weniger flexibel auf Veränderungen reagieren können und Entwicklung sogar behindern. Die Frage, ob eine Denationalisierung sinnvoll ist oder nicht, muss folglich immer individuell und auf das jeweilige Projekt bezogen getroffen werden.
Positive Aspekte der Denationalisierung
Gerade im Bereich der Wirtschaft hat die Denationalisierung durchaus positive Aspekte. Kurzfristig kann es zwar zu starken Strukturveränderungen und damit verbundenen negativen Effekten kommen. Langfristig gesehen agieren denationalisierte Unternehmen und Projekte aber deutlich marktwirtschaftlicher. Aus diesem Verhalten resultieren höhere Steuereinnahmen durch die Steigerung der Gewinnmargen, im idealen Fall auch mehr Arbeitsplätze und eine Flexibilisierung der Entwicklungsmöglichkeiten und Reaktionschancen. Da zudem die Verpflichtung zur Übernahme der Kosten durch den Staat entfällt, können kurzfristig die Ausgaben im Staatshaushalt durch eine Denationalisierung gesenkt werden. Dieser positive Effekt ist mitunter einer der besten Gründe, die die befürwortenden Persönlichkeiten einer Denationalisierung anbringen.
Kritik an der Denationalisierung
Abgesehen von den Befürwortern von planwirtschaftlichen Elementen und eines starken zentralen Staates, gibt es auch weitere Kritikpunkte an der Denationalisierung. Diese berufen sich vor allem auf den signifikanten Kontrollverlust, der gerade in Bereichen der Grundversorgung mit Gütern, Waren und Dienstleistungen starke Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft haben kann. Weitere Kritikpunkte sind unter anderem der Verlust der Einflussmöglichkeiten auf die Entwicklung, sowie der Verlust des gesamtgesellschaftlichen aktuellen Zustands mit all seinen vermeintlichen oder realen Vorteilen für die Bevölkerung.