Was bedeutet „Postideologie“ / „postideologisch“? Erklärung, Bedeutung, Definition

Was bedeutet Postideologie, postideologisch, Bedeutung, Definition, Erklärung


Mit dem Begriff „Postideologie“ wird die Zeit bezeichnet, in der wir heute leben. Damit ist ein Zeitalter gemeint, in dem die Menschen weitestgehend frei von staatlichen Zwängen und ideologischen Vorstellungen leben. Stattdessen ist diese Zeit durch pragmatische und realistische Denkmuster geprägt. In einer Postideologie orientieren sich die Individuen innerhalb der Gesellschaft vorwiegend an konkreten Problemen und Denkmustern, anstatt abstrakt zu denken und sie agieren dementsprechend eher sachlich und nüchtern. Als Orientierungsmaßstab gelten bestehende Tatsachen und Fakten, also die Realität. Ob die heutige Zeit tatsächlich als eine Postideologie verstanden werden kann, gilt jedoch als umstritten.

postideologisch: Wortform und Bedeutung

Das Adjektiv „postideologisch“ leitet sich von dem Nomen „Postideologie“ ab. Etwas kann als postideologisch bezeichnet werden, wenn es Merkmale der oben beschriebenen Postideologie aufweist.

Wortzusammensetzung und Wortherkunft: Postideologie

Das Wort „Postideologie“ setzt sich aus den beiden Komponenten „post“ und „Ideologie“ zusammen.

Es handelt sich also um ein sogenanntes Kompositum: ein Wort, welches aus mehreren Elementen zusammengesetzt ist. Das Hauptwort, welches auch die hauptsächliche Bedeutung trägt, ist am Ende der Wortverbindung zu finden (in diesem Fall der Begriff „Ideologie“). Die Vorsilbe – in diesem Fall „post“ – bestimmt dieses Hauptwort näher und steht am Wortanfang.

Das Präfix „post-“ ist lateinischer Herkunft und bedeutet so viel wie „nach, hinter“ oder „nachher“. Vor allem unter den Fremdwörtern, die aus dem Lateinischen stammen, finden sich viele Komposita mit der Vorsilbe „post-„. In Zusammensetzung mit dem Nomen „Ideologie“ bedeutet es „Nach-Ideologie“. Gemeint ist damit also ein Zeitabschnitt, der auf eine ideologisch geprägte Zeit folgt, also nach einer Ideologie kommt.

Der Begriff „Ideologie“ geht auf das französische idéologie zurück, was wörtlich übersetzt „Ideenlehre“ heißt. Ursprünglich ist aber auch das französische Wort auf das Griechische zurückzuführen.
Die erste Wortkomponente, idéa, lässt sich mit „Idee“, auch „Beschaffenheit, Art, Erscheinung“ übersetzen, während -logie „Wissenschaft, Kunde, Lehre“ bedeutet.

Synonyme des Begriffs „Ideologie“ bilden die Ausdrücke „(Welt-)Anschauung, Auffassung, Ansicht“ oder „Denkart“.

Postideologie: Eine Überwindung der Ideologien?

Die Bedeutung des Begriffs der „Postideologie“ hängt eng mit dem Ideologiebegriff selbst zusammen.

Als „Ideologie“ wird eine Weltanschauung oder Realitätsauffassung verstanden, die zu bestimmten Verhaltensnormen und Werturteilen führt. Der Begriff ist heute hauptsächlich negativ konnotiert.

In der Geschichte und auch heute noch werden bestimmte Ideologien dazu verwendet, die eigenen Ansichten als die einzig richtigen darzustellen und davon abweichende Anschauungen als falsch darzustellen. Dahinter stehen oft machtpolitische Interessen. Eine Ideologie kann dazu benutzt werden, die eigenen Interessen zu legitimieren und beispielsweise eine bestimmte soziale, religiöse oder politische Gruppe unter Vortäuschung falscher Tatsachen ins rechte Licht zu rücken. Eine Ideologie ist also nicht durch Fakten und evidenzbasierte Urteile begründet.

Ein berühmter Ideologiekritiker ist Karl Marx, der im 19. Jahrhundert vor allem den Kapitalismus scharf kritisierte. Die herrschende Klasse, die Bourgeoisie – etwa Fabrikbesitzer und das wohlhabende Bürgertum – beeinflussten laut Marx aus eigennützigen Interessen die öffentliche Meinung und schufen somit eine Ideologie des Kapitalismus, von der allerdings nur ein Teil der Gesellschaft profitieren konnte. Die Arbeiterklasse hingegen sei innerhalb dieser Gesellschaftsideologie benachteiligt. Die Ideologie des Kapitalismus führe somit zu sozialer Ungleichheit.

Weitere Beispiele für Ideologien sind etwa politische Ideologien, darunter der Konservatismus, Sozialismus, Kommunismus oder Nationalismus. Auch der Nationalsozialismus war eine Ideologie, nach deren Weltanschauung sich die Gesellschaft zu richten hatte.

In einer postideologischen oder nachideologischen Gesellschaft sind solche dogmatischen Weltanschauungen ausgeschlossen. Das Vorherrschen von Ideologien ist durch eine vernunft- und wissenschaftsbasierte Weltanschauung überwunden.

Siehe: Was ist Postfaschismus?

Weiterführende Erläuterungen zur Postideologie

Einige moderne Philosophen und Wissenschaftler sind der Ansicht, in der heutigen postmodernen Zeit seien Ideologien überwunden und hätten darin keinen Platz mehr. So argumentiert beispielsweise der französische Literaturtheoretiker und Philosoph Jean-François Lyotard, in den demokratischen Gesellschaften der Postmoderne sei kaum eine Ideologiebildung mehr möglich. Dies begründet er dadurch, dass im heutigen Zeitalter des technischen und wissenschaftlichen Fortschritts eine ständige Kontrolle der Gesellschaften gegeben sei. Was also nicht durch Fakten und Tatsachen begründet werden kann, könne entlarvt werden. Letztlich mache dies transparent, was Ehrlichkeit und Wahrheit und was Utopie bzw. Ideologie sei.

Gegenstimmen, so etwa der Deutsche Herbert Schnädelbach, halten diese Annahmen für unzutreffend. Sie sind hingegen der Ansicht, dass eine Gesellschaft wie die heutige, die (scheinbar) durch Wissenschaftlichkeit, Demokratie und Technik geprägt ist, einen besonders guten Nährboden für die Verbreitung von Ideologien bilde. Das liege vor allem daran, dass man glaube, Ideologien jeglicher Art überwunden zu haben. Die Gefahr, ideologische Vorstellungen nicht zu erkennen, selbst wenn diese vorhanden seien, halten Vertreter dieser Auffassung für besonders groß.

Ob wir heute in einer postideologischen Gesellschaft leben oder nicht – darüber sind sich Philosophen und Wissenschaftler also noch uneinig.

Wie werden die Begriffe „Postideologie“ und „postideologisch“ verwendet?
Die Begriffe „Postideologie“ und „postideologisch“ werden heute vor allem in philosophischen Schriften oder wissenschaftlichen Artikeln verwendet. Auch in kritischen journalistischen oder politischen Beiträgen, die sich mit der heutigen Gesellschaft auseinandersetzen, tauchen die Ausdrücke häufiger auf.

Autor: Pierre von BedeutungOnline

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