Der Begriff Girlboss bezeichnet prinzipiell eine Frau in einer Führungsposition und/oder eine Frau, die sich einem männlichen Führungsanspruch nicht unterwirft und ihren eigenen Weg – wie auch immer – geht. Unter Feministinnen ist der Begriff umstritten.
Was bedeutet „Girlboss“? Bedeutung, Definition, Erklärung
Der Begriff trendet sehr stark, auf Instagram wurden mit Stand 2021 ~26 Millionen Beiträge mit #girlboss markiert. Beobachterinnen der feministischen Szene machen mehrere Schlüsselereignisse für seine Prägung verantwortlich:
- Tyler Haney gründete 2014 „Outdoor Voices“, ein Unternehmen für Sportbekleidung. Sie trat medienwirksam mit weiblichem Empowerment und somit als Girlboss auf (ihr eigenes Statement), musste aber 2020 als CEO zurücktreten, weil sich einige ihrer Angestellten öffentlich über toxische Arbeitsverhältnisse beschwert hatten.
- Sophia Amoruso gründete 2015 mit „Nasty Gal“ einen Onlineshop für Vintagemode und verwendete offensiv für sich selbst den Begriff Girlboss. Noch im Gründungsjahr wurde sie von vier ihrer Mitarbeiterinnen verklagt, die während ihrer Schwangerschaft ihre Kündigung erhalten hatten. Sophia Amoruso trat daraufhin als CEO zurück, ein Jahr später meldete ihr Shop Insolvenz an.
- 2017 erschien die Netflix-Serie „Girlboss“, deren Protagonistin Sophia aus Interesse an Mode zur Businessfrau wird und sich dann, gezwungen durch ihren Geschäftserfolg, zum Girlboss mit vielen Angestellten entwickeln muss.
Bedeutung: Girlboss
In der Netflix-Serie ist der Begriff Girlboss positiv konnotiert, in der Gesellschaft der Feministinnen und vieler anderer Frauen ist er es nicht. Die männliche Betrachtungsweise schwankt zwischen Desinteresse und Ablehnung. Ausgenommen davon sind nur die sehr wenigen männlichen Feministen, die das Wort eher verhalten betrachten. Sie lehnen es zwar nicht ab, das dürfen sie in ihrer Position nicht. Doch auch sie mögen es nicht unbedingt, dass eine Frau als Boss auftrumpft, selbst wenn sie Frauen in Führungspositionen grundsätzlich bejahen. Diese mögen aber dabei ihre weibliche Seite doch bitte nicht vergessen. Interessant ist die zwiespältige Haltung der Feministinnen. Grundsätzlich haben sie nichts dagegen, dass sich starke Frauen in einer von Männern dominierten Welt durchsetzen und Karriere machen, doch sie stören sich am Zelebrieren des Girlboss. Auf Kritik stoßen beispielsweise auf Instagram veröffentlichte Bilder, die eine perfekte Selbstinszenierung der betreffenden Frauen zeigen: Sie sind gut gekleidet, meistens sehr jung und überbordend selbstbewusst. Das wirkt abschreckend, und zwar vor allem auf andere Frauen. Feministinnen beklagen also, dass die Girlboss-Kultur neue diskriminierende Strukturen schaffen könnte. Die oben genannten Beispiele der beiden Unternehmerinnen Haney und Amoruso dienen hierfür als Beweis. Überhaupt stört das gesamte Girlboss-Narrativ allein schon wegen seiner Begrifflichkeit: Ein Girl ist ein Mädchen, ein Boss ist ein Macher, Lenker und in der Regel hart Arbeitender. Das passt nicht zusammen, so eine feministische Sichtweise.
Girlboss: Spiel mit der Ambivalenz
Der Begriff Girlboss spielt mit der Ambivalenz zwischen mädchenhafter Frau und hartem Boss. Das kann sogar verführerisch wirken. Frauen betonen ihre männliche Seite und leben sie als Boss auch aus, ohne ihre sehr weibliche und sogar kindliche Seite zu verleugnen. Diesen Effekt gibt es auch umgekehrt, denn nicht wenige Männer verweisen zumindest subtil auf ihre weibliche Seite. In den 1970er-Jahren wurde hierfür der Begriff „Softie“ geprägt, der aber alsbald zum Spottbild eines vollkommen unmännlichen Mannes geriet und daher um die Jahrtausendwende abgelegt wurde. Auch der Softie war weit mehr als nur ein Klischee oder Statement. Die betreffenden Männer übernahmen damals freiwillig häusliche Aufgaben inklusive der Kinderbetreuung, was zu jener Zeit noch eine kleine Revolution darstellte. Mit dem Begriff Girlboss holen die Frauen diese Revolution nun ihrerseits nach. Sie geben sich männlich und erobern männliche Positionen. Dabei übertreiben sie es gelegentlich wie die damaligen Softies, die eine eigentlich selbstverständliche Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau in der Familie so übertrieben, dass man sie als Männer kaum mehr erkennen konnte. Ein Girlboss hingegen hat anscheinend aus dieser Vorgeschichte gelernt und verleugnet schon rein begrifflich nicht die mädchenhafte Herkunft. Daraus resultiert eine geradezu faszinierende Ambivalenz, die je nach Standpunkt der Betrachter anziehend oder abstoßend wirken kann.
Führt das Girlboss-Narrativ zu mehr Gleichberechtigung?
Manche Feministinnen behaupten: Nein, das tut es nicht. Es erscheint ihnen eher als Marketingstrategie, weil sich diese Art von „Feminismus“ gut verkaufen lässt. Als Beweis dient die Werbebranche, die gern starke Frauen plakatiert, während die Auftragsunternehmen wenig bis nicht feministisch agieren. Doch gilt dieser Umstand als vergleichsweise verzeihlich, Marketing ist eben Marketing. Viel schlimmer erscheint es echten Feministinnen, dass ein Girlboss diejenigen Frauen in den Schatten stellt und damit diskriminiert, die unbezahlte häusliche oder gar pflegerische Arbeit leisten und gegenüber dem Girlboss wie Verliererinnen dastehen. Dies sei der eigentliche Skandal und daher ein grobes Eigentor für den Feminismus. Die Vermarktung von Feminismus, für die es den Begriff „Femvertising“ gibt, ist hierfür so gar kein Trost. Damit ist das Girlboss-Narrativ nicht nur nicht nützlich, es ist sogar schädlich und blendet die Realität der meisten Frauen auf der Welt aus. Diese benötigen zwar durchaus weibliche Vorbilder mit eigenen Erfolgsgeschichten, aber nicht auf der Basis eines „Feelgood-Feminism“. Hilfreicher wäre die Darstellung von Frauen, die erfolgreich den Spagat zwischen Beruf und Familie schaffen, auch wenn sie dabei keine Traumkarriere hinlegen. Die Girlboss-Kultur allerdings suggeriert, dass eigentlich jede Frau ein Boss sein könnte und dies auch anstreben sollte. Wenn sie es also nicht schafft, scheint sie wohl eine Loserin zu sein. Wohlgemerkt: Das ließe sich in Bezug auf den Lebenserfolg auch auf Männer übertragen, doch hier ist es nicht so prekär, weil Männer nicht per se allein wegen ihres Geschlechts diskriminiert werden.
Ist ein Girlboss nun gut oder schlecht?
Abseits von feministischen Standpunkten dürfen wir konstatieren, dass es das Phänomen der starken Frau in einer Führungsposition gibt, die sich dennoch auch als Mädchen sieht. Dies ist ein Fortschritt gegenüber dem Softie der 1970er-Jahre, dessen abfällige Betrachtung nur noch vom „Weichei“ übertroffen wurde. Frauen, die sich als Girlboss sehen möchten, eine entsprechende Position anstreben oder diese schon ausfüllen, müssen sich aber auf Gegenwind von ihren Geschlechtsgenossinnen gefasst machen. Zu erwarten ist, dass sich der Begriff Girlboss in den nächsten Jahren relativiert.