Dominium terrae (lateinisch für „Herrschaft über die Erde“) ist der theologische Fachbegriff für den Auftrag Gottes an den Menschen, sich die Erde untertan zu machen. Der Auftrag wird im Alten Testament in der Schöpfungsgeschichte beschrieben.
„Dominium terra“ in der Bibel
Im Ersten Buch Mose (Genesis) heißt es wie folgt:
Genesis 1,27: „Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau.“
Genesis 1,28: „Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über alles Getier, das auf Erden kriecht.“
Diese Bibelstelle legitimierte aus christlicher Sicht den Herrschaftsanspruch der Menschen über die Erde.
Deutungsgeschichte: Dominium terra
Der Gedanke des Dominium terrae hat sich im Laufe der Jahrhunderte mehrfach gewandelt.
Spätantike und Mittelalter
In der Spätantike und im Mittelalter blieb der Herrschaftsanspruch der Menschen gegenüber der Erde fester Bestandteil der christlich geprägten Ideenwelt. So schrieb der lateinische Rhetoriklehrer und christliche Apologet Laktanz (240 n. Chr.- 320 n. Chr.): „Als Gott den Menschen schuf, gleichsam als Abbild Gottes und Krone des göttlichen Schöpfungswerkes, da hauchte er ihm allein die Weisheit ein, damit er alles seiner Herrschaft und Botmäßigkeit unterwerfe (ut omnia imperio ac ditioni suae subiugaret) und alle Annehmlichkeiten der Welt genieße.“ (De ira dei, 13; übers. v. A. Hartl).
Neuzeit
In der frühen Neuzeit diente der biblische Herrschaftsauftrag immer wieder als moralische Rechtfertigung für die Überlegenheit und das Sendungsbewusstsein des christlichen Abendlandes und führte zu der Ausbeutung und Vernichtung der Ureinwohner neu entdeckter Gebiete. So waren zum Beispiel die christlichen Siedler im neu entdeckten Amerika der Meinung, das Nomadenleben der Indianer sei ein Verstoß gegen den Willen Gottes. Denn dessen Willen folgend müsse man das Land urbar machen und bestellen. Indem sie das Land den Indianern wegnahmen und landwirtschaftlich erschlossen oder Bodenschätze förderten, handelten sie aus ihrer Sicht gemäß dem Auftrag Gottes.
Unter den neuzeitlichen Philosophen und Naturwissenschaftlern formte sich der Gedanke des Dominium terrae zu der Idee der Naturbeherrschung. So forderte der französische Philosoph, Mathematiker und Naturwissenschaftler René Descartes (1596-1650), die Menschen sollten sich durch wissenschaftliche Erkenntnisse zu „Herrschern und Besitzern der Natur“ (maîtres et possesseurs de la nature) machen.
Auch der englische Philosoph, Jurist und Staatsmann Francis Bacon (1561-1626) vertrat die Auffassung, die Wissenschaft diene einzig und allein dazu, den Menschen aus seiner Abhängigkeit von der Natur zu befreien. Bacons Wahlspruch „Wissen ist Macht“ prägt das neuzeitliche Denken, wonach gilt: Das Wissen über die Eigenschaften und Gesetzmäßigkeiten der Natur schafft die Voraussetzung, mit Hilfe von Technik natürliche Gegebenheiten zum Wohl der Menschen zu verändern.
20. Jahrhundert und Gegenwart
Im 20. Jahrhundert wurde verstärkt der hebräische Urtext der Bibel studiert. Es stellte sich heraus, dass viele hebräische Wörter mehrere Bedeutungen haben. Die Bedeutungen, die in der „Itala“, der ersten lateinischen Bibelübersetzung, zugewiesen wurden, fanden Eingang in die nachfolgenden Übersetzungen aus dem Lateinischen in andere Sprachen.
Durch die Forschungen am hebräischen Urtext erfahren manche Bibelstellen neue Deutungen. Dies trifft auch auf das Dominium terrae in Genesis 1,27-28 zu. So wurde das dort verwendete Verb „kabasch“ im hebräischen Urtext in Bibelübersetzungen mit „untertan machen“ wiedergegeben. Tatsächlich hat „kabasch“ unter anderem die Bedeutung „drauftreten“, daneben findet sich aber auch die abgeschwächte, weniger aggressive Bedeutung „Herrschaft ausüben“, „Land erobern und in Besitz nehmen“.
Das hebräische Verb „radah“ im Urtext wurde mit dem Verb „herrschen“ übersetzt. Textstudien zeigen, dass „radah“ insbesondere das Verhalten des Schäfers zu seiner Schafherde beschreibt: Der Schäfer „herrscht“ über seine Herde, indem er sie führt und hütet. Aus heutiger Sicht wird angenommen, dass dem Menschen ein verantwortungsvoller, fürsorglicher Umgang mit der Erde und der Natur aufgetragen ist – eine Deutung, für die auch der Gesamtkontext von Genesis 1,27-28 spricht.
Fazit: Was bedeutet „Dominium terra“?
Dominium terrae ist ein zentraler Begriff der christlichen Lehre. Er beschreibt, welche Rolle die Menschheit gemäß dem göttlichen Auftrag gegenüber der Natur einnehmen soll.