Niemand hat die Kontrolle über die Gedanken anderer Menschen. Überhaupt können wir sie nur sehr bedingt beeinflussen, zum Beispiel in Form unseres Verhaltens. Ob unsere Mitmenschen, Freunde, Arbeitskollegen oder auch Rivalen gut oder schlecht über uns denken, liegt folglich nicht allein in unseren Händen. Trotzdem kreisen unsere Gedanken immer wieder – zumeist unterbewusst – um Themen wie Anerkennung und Respekt.
Komplexe Ursachen in der Evolution begründet
Der Mensch ist bekanntermaßen ein soziales Wesen. Diese Weisheit besitzt allgemeingültigen Charakter und ist zeitlos. Der Sachverhalt ist so alt wie die Menschheit selbst. Ein tief verankerter Überlebensmechanismus macht Menschen zu dem, was sie sind, nämlich klassische ‚Rudeltiere‘. Natürlich bedeutet das nicht, dass Selbstbezogenheit und Egoismus nur eine Illusion wären. Tatsächlich ist die Neuzeit mit all ihren hochentwickelten Technologien und individuellen Beschäftigungsmöglichkeiten geradezu prädestiniert für Narzissten, Egoisten oder Soziopathen. Doch tief in jedem Menschen schlummert ein Bedürfnis nach Zweisamkeit und Zugehörigkeit. Häufig entwickeln sich aus verdrängten Kränkungen und ungünstigen Lebensverhältnissen heraus gewisse Fehlstellungen und Neurosen. Trotz der geschilderten potenziellen Ursachen lebt in jedem von uns ein soziales Wesen, selbst wenn jenes Risse erhält und sich daraus eine meist ungesunde Wesensveränderung einstellt. Zwischenmenschliche Bedürfnisse liegen in der Natur des Menschen. Nur auf diese Weise kann auf lange Sicht das evolutionsbedingte Überleben funktionieren.
Soziale Medien – Fluch und Segen
Facebook, Instagram, Twitter und Co. sind wichitge technologische Errungenschaften des 21. Jahrhunderts. Millionen Nutzer weltweit erfreuen sich derartiger Plattformen, um sich zu vernetzen und kommunizieren so einfach wie nie zuvor. In der Tat bieten die sozialen Medien vielfätige Vorteile: Das digitale Leben ist schnell, direkt und vor allem für die junge Generation verlockend. Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. Die Kehrseite der Medaille zeigt sich in einer frappierenden und schnell voranschreitenden globalen Abhängigkeit der sozialen Medien. Wer nicht mitziehen kann – oder auch nicht möchte – gilt als Außenseiter. Dabei könnte eben jener Außenseiter schlicht clever sein, denn er oder sie ist sich der Gefahren und Risiken der Droge Internet bewusst. Wenn auf Instagram ein wahrer Wettstreit über die schönsten Urlaubsfotos entbrennt, beginnt das Dilemma: ‚Was, wenn meine Bilder weniger glamourös sind als die meiner Freunde?‘ Soziale Medien sind die Geißel unserer Zeit. Einerseits profilieren wir uns mit öffentlichen Postings vor unseren ‚Followern‘, andererseits machen wir uns von ihrem Urteil abhängig. Den berühmt berüchtigte ‚Gefällt mir-Button‘ auf Facebook zu erhalten, kann regelrecht süchtig machen. Dies ist nachweislich mit der Wirkung von Heroin zu vergleichen, wie Wissenschaftler spektakulär herausfanden. Kein Wunder also, dass soziale Medien eine Generation von Narzissten heranzüchten.
Warum ist es uns so wichtig, was andere denken? Erklärung
Unser Selbstwert ist vergleichbar mit einem zarten Pflänzchen. Es braucht nicht viel, um ihn zu zerstören. Selbst nach außen hin stark wirkende Personen müssen das nicht zwangsläufig sein, denn in jedem von uns steckt eine zutiefst verletzliche Person, nämlich das innere Kind. Nicht allen Menschen gelingt es, sich nach außen hin unverwundbar zu zeigen. Nach außen getragene Angriffsflächen können gnadenlos zum eigenen Nachteil genutzt werden. Der Selbstwert einer Person ist zwar nicht in Stein gemeißelt, doch mit etwas Lebenserfahrung und Training kann er sich zumindest temporär stabilisieren. Folglich stellt sich weniger die Frage, was unsere Mitmenschen über uns denken, sondern wie wir damit umgehen. Mit fremden Gedanken allein können wir uns ohnehin nicht auseinandersetzen, denn diese können wir in den seltensten Fällen lesen.
Was wir aber können, ist auf eine Reaktion angemessen reagieren. Im Falle einer negativen Reaktion bestehen lediglich zwei Optionen: Akzeptanz oder Ablehnung. Sollte eine fremde Meinungsäußerung abgelehnt werden, besteht ein innerer Konflikt – und je nach Situation – eine Auseinandersetzung mit dem Gegenüber, Streit und Eskalation nicht ausgeschlossen. Entscheiden wir uns für erstere Variante, also für die Akzenptanz, dann schließen wir inneren Frieden mit uns selbst und respektieren die Haltung des Anderen. Gerade im Falle einer negativen Reaktion fällt uns Akzeptanz besonders schwer, denn unser Verhalten oder schlimmstenfalls unsere Person wird infrage gestellt. Eine negative Gefühlsäußerung als gegenwärtig zu respektieren, verlangt uns große mentale Stärke ab. Klar ist auch, dass im Falle einer positiven Reaktion, zum Besipiel in Form eines Kompliments, Freude beim Empfänger aufkommt. Selbstverständlich sind nicht alle Reaktionen, die uns entgegengebracht werden, unheilvoll.
Soziale Phobie als Barriere
Ängste und Unsicherheiten im sozialen Bereich nehmen stark zu. Die Ursachen hierfür sind ebenso vielfätig wie komplex: Der schnelllebige und hektische Alltag vieler Menschen in Kombination mit Stress kann das Fass zum Überlaufen bringen. Wenn die innere Balance aus den Fugen gerät, bietet das den idealen Nährboden für Selbstzweifel. Wer erst einmal in diesen Teufelskreis hineingerät, braucht häufig Hilfe. In einer milden Form können Freunde und Familie ‚den Knoten wieder lösen‘. Falls die Selbstzweifel allerdings zerstörerische Züge annehmen, erscheint meist das Heranziehen eines Psychologen sinnvoll. Soziale Ängste sind zudem tendenziell mit einem äußerst negativen Selbstbild und damit einhergehend einer pessimistischen Grundeinstellung verbunden. Diesbezüglich überrascht es nicht, dass sich Betroffene in einem nie enden wollenden Gedankenkarussell befinden. Unter Umständen strahlen Menschen, die unter einer Sozialphobie leiden unterbewusst selbst Ablehnung aus, was das Gegenüber ebenso misstrauisch stimmen lässt. Antrainierte Verhaltensmuster negativer Art sind stets ungünstig, lassen sich aber mit etwas Disziplin wieder abtrainieren.
Eine soziale Phobie ist – wie fast alle Angststörungen – häufig mit einem auffälligen Vermeidungsverhalten verbunden. Nicht selten führt jenes zu einer Reihe von Missverständnissen im persönlichen oder beruflichen Umfeld Betroffener. Dies hat auf beiden Seiten einen Vertrauensverlust zur Folge und der Kreislauf aus berechtigtem Misstrauen und Angst vor Ablehnung beginnt von neuem.
Dickes Fell bei Kritik
So lange es Menschen gibt, sind kritische Stimmen an der Tagesordnung. Ob und wie sehr uns die Meinung anderer Menschen so wichtig ist, liegt auch in unserer eigenen Kritikfähigkeit begründet. Eignen wir uns ein halbwegs dickes Fell, also eine gewisse Widerstandsfähigkeit an, gelingt das Unterfangen schon spürbar besser und wir fühlen uns weniger gekränkt durch Kritik. Zudem sorgt eine mehr oder weniger antrainierte Widerstandskraft für mehr innere Ruhe. Die innere Gelassenheit wirkt sich wiederum positiv auf unsere Gesundheit aus. Ganz nebenbei kann ein dickes Fell ungeahnte Führungsqualitäten offenbaren. Hin und wieder müssen wir uns klar positionieren oder Stellung beziehen. Dann ist es von Vorteil, kühlen Kopf zu bewahren und standhaft zu bleiben.
Gesundes Selbstbewusstsein
Was andere denken, ist wichtig. Doch in erster Linie für sie selbst. Und es ist letztlich auch nicht unsere Angelegenheit, uns um fremde Gedanken zu kümmern. Wo kämen wir hin, wenn wir uns permanent mit den Gefühlen und Sorgen unserer Mitmenschen beschäftigen würden? Bei unseren eigenen Bedürfnissen zu bleiben und sich selbst nicht zu sehr zu belasten, ist übrigens kein Egoismus, sondern ein gesundes Maß an Eigenverantwortung. Diese ist dringend erforderlich, um uns effektiv abzugrenzen. Zum gesunden Selbstbewusstsein gehört auch die Fähigkeit anderen eine Absage zu erteilen. Auf diese Weise können wir uns gut in das Gegenüber hineinversetzen und wissen, dass jeder einmal vor einer schwierigen oder unliebsamen Entscheidung steht.
Frage des Gemütszustands
Jeder hat mal einen schlechten Tag. Da wir nicht immer ‚auf Wolke sieben schweben‘ können, sind unsere Launen wechselhaft. Das ist völlig normal und nur in seltenen Fällen bedenklich. Insofern fühlen wir uns nicht immer gleich wohl und wir sind hin und wieder pessimistisch gestimmt oder geradezu missmutig unserem Umfeld gegenüber. Das bedeutet, mitunter interessieren wir uns für die Gedankenwelt unseres Gegenübers brennend, beispielsweise weil wir besonders neugierig auf ein Feedback sind. Kurze Zeit später ist uns die Meinung unserer Freunde oder Kollegen unter Umständen egal, weil sie uns schlicht in jenem Augenblick nicht interessiert. Was andere Leute über uns denken oder generell denken, ist schließlich nicht immer von großem Interesse, sondern nur manchmal. Diese beschriebenen Schwankungen unseres Gemüts verdeutlichen einmal mehr den diffusen Charakter der menschlichen Neugier. Und das Attribut ‚menschlich‘ ist an dieser Stelle besonders hervorzuheben, da dieses Phänomen ein typisch menschliches ist. Tiere fragen sich kaum, was ihre geschätzten oder verhassten Artgenossen von ihnen halten.
Auf der Suche nach Identität
Warum wir uns für das Feedback und die Meinung unserer Mitmenschen interessieren, hat ebenso mit einer Suche nach der eigenen Identität zu tun. Auf andere Menschen angewiesen zu sein – und sei es nur die bescheidene Versicherung, dass alles in bester Ordnung ist – kann auf eine nicht gereifte Persönlichkeit hindeuten, vor allem dann, wenn die Meinung des Gegenübers zwingender Bestandteil einer Entscheidungshilfe darstellt. Wenn wir eine gewisse Überzeugung in uns tragen und wissen, wer wir sind und was wir möchten, dann wirft uns auch keine konträre Meinung aus der Bahn. Auf der Suche nach Bestätigung zu sein, ist ein völlig normaler Prozess, den alle Menschen in ihrem Leben mehrfach durchlaufen. Er ist sogar wichtig, weil er die eigene Identität stärken kann. Allein das permanente Bedürfnis nach Anerkennung, selbst wenn diese bereits erfolgte, scheint für ein ungesundes Maß an Selbstsicherheit zu sprechen.
Fazit: Warum ist es uns so wichtig, was andere über uns denken? Erklärung
Zu guter Letzt ist eine Meinungs- bzw. Gefühlsäußerung immer subjektiv. Jedes Individuum spricht aus seiner eigenen Sicht. Da Wahrnehmung nicht ‚richtig oder falsch‘ sein kann, bleibt die getätigte Äußerung ein persönliches Abbild einer Einzelperson, die natürlich auch irren kann. Somit steht fest: Jede Meinung ist eine Stimme und jede Stimme besitzt den gleichen Wert. Wenn wir uns über die Gedanken unserer Freunde und Familie sorgen, ist nichts falsch daran, dennoch darf auch jede fremde Meinungsäußerung kritisch beäugt werden.